Viele Trader meinen zu wissen, was IV ist, aber es gibt viele Irrtümer und viel Halbwissen in diesem Bereich. Damit räumen wir jetzt auf!
Implizite Volatilität wird oftmals als kompliziert erachtet, aber keine Sorge, so schwierig ist es gar nicht. Wenn man sich näher mit der Materie beschäftigt, ist es sogar sehr einfach. Wir werden also das Thema Volatilität sehr praxisnah beleuchten und uns auch mit den Irrtümern dazu beschäftigen. Also legen wir los.
Was ist implizite Volatilität?
Implizite Volatilität ist ein Indikator für die Markterwartung hinsichtlich der Schwankung des Preises eines zugrunde liegenden Basiswertes. Je größer die implizite Volatilität, desto größer sind die erwarteten Schwankungen des Basiswertes. So weit, so gut, so bekannt. Aber:
Woher kommt die implizite Volatilität eigentlich?
Die implizite Volatilität wird aus dem aktuellen Marktpreis eines Optionskontraktes abgeleitet. Hier wären wir auch schon beim ersten Irrtum, denn viele Trader glauben, dass sich die implizite Volatilität auf der Schwankungsbreite des Basiswertes ergibt. Das ist allerdings nicht korrekt.
Die Berechnung der impliziten Volatilität basiert auf der Annahme, dass der Preis eines Optionskontraktes fair bewertet ist UND dass sich der Basispreis so bewegen wird, wie der Optionsmarkt es erwartet.
Optionen als Versicherung
Optionen werden häufig als Absicherung/Versicherung gekauft. Ich habe einen guten Freund, der sich Grundstücke für den Hausbau angesehen hat. Zum Glück hat er rechtzeitig erkannt, dass der erste Grund, den er eigentlich kaufen wollte, in einem Überschwemmungsgebiet lag und er daher ein Vielfaches an Versicherung für das Haus bezahlt hätte, als er es nun auf einem anderen Grund im selben Ort, aber auf einer Anhöhe tut.
Wenn du jetzt deine Aktien auf Coca-Cola mittels Option versichern willst, wird das in der Regel billiger sein, als wenn du deine Tesla Aktien versichern willst. Bei Tesla werden die Optionen also teurer sein, sie werden einen höheren extrinsischen Wert aufweisen. Warum?
Optionskäufer zahlen die hohen Prämien, die die Optionsverkäufer verlangen. Hohe Preise für Optionen sind also ein Indiz dafür, dass in Zukunft mit hohen Kursschwankungen zu rechnen ist. Die hohe Volatilität wird also durch die Optionspreise impliziert. Ach ja und apropos impliziert.
Exkurs: Implizite oder implizierte Volatilität
Der fachlich korrekte Ausdruck ist implizite Volatilität. Man hört und liest aber auch regelmäßig von implizierter Volatilität, was meiner Meinung nach ebenso korrekt ist. Denn du erinnerst dich sicher an den Satz:
Volatilität wird durch die Optionspreise auf den Basiswert impliziert.
Insofern ist auch der Begriff implizierte Volatilität zumindest nicht falsch.
Implizite Volatilität vergleichen
Am besten suchst du dir selbst mal 2 Aktien mit ungefähr gleichem Kursniveau und vergleichst dann die entsprechenden Options-Preise der verschiedenen Strike-Preise und Laufzeiten. Du wirst rasch erkennen, welche der beiden Aktien die geringere Volatilität hat.
Aber ich habe natürlich auch ein Beispiel für dich mitgebracht (siehe Grafik):
Du siehst in der Grafik, dass Tesla und IWM fast denselben Kurs haben. Tesla stand zum Zeitpunkt dieses Beispiels bei 194,65 $ und der IWM bei 192,62 $. Tesla hatte zum selben Zeitpunkt allerdings eine implizite Volatilität von 60 % und damit eine mögliche Schwankungsbreite (One-Standard-Diviation auf ein Jahr) von 82,47 $ bis 306,84 $. Demgegenüber hat der IWM nur eine implizite Volatilität von 20 % und daher auch nur eine Schwankungsbreite von 151,29 $ bis 234,39 $. Den Begriff One-Standard-Diviation werde ich in einem der nächsten Ausgaben genauer unter die Lupe nehmen.
Die Optionen auf Tesla werden also massiv teurer sein als die Optionen auf den IWM, denn darauf errechnet sich die implizite Volatilität ja.
Options-Strategien und die implizite Volatilität
Optionshändler müssen also immer einen Blick auf die Veränderung der impliziten Volatilität haben und sie müssen wissen, wie sich die implizite Volatilität auf die jeweils gehandelte Optionsstrategie auswirkt.
Long Calls und Long Puts profitieren zum Beispiel von einer steigenden impliziten Volatilität, Short Puts und Short Calls hingegen von einer fallenden impliziten Volatilität. All diese Dinge zu wissen und im Blick zu haben, ist also von eminenter Wichtigkeit.
Sonderfall: Implizite Volatilität und Earnings
Die implizite Volatilität steigt vor der Bekanntgabe von Quartalsergebnissen in der Regel an. Warum? Naja, Earnings können immer zu Überraschungen und daher zu Kursausschlägen führen. Dieses Risiko lassen sich die Optionsverkäufer durch einen höheren Optionspreis abgelten. Die Aktie kann sich im Kurs also kaum bewegen und trotzdem steigt die implizite Volatilität vor den Earnings an.
Nach den Earnings fällt die implizite Volatilität in der Regel wieder ab. Warum? Die Unsicherheit ist jetzt aus dem Markt und die Optionsverkäufer sehen ein geringeres Risiko in der jeweiligen Aktie. Earnings-Trader, wie zum Beispiel Thomas im Tradehelden Trading-Labor, machen sich dieses Phänomen zunutze.
IV Rank und IV Percentile
Die implizite Volatilität als Kennzahl allein bringt dir leider nicht viel. Vor allem in der Vergleichbarkeit hat sie einige Nachteile. Dazu braucht es weitere Kennzahlen, wie zum Beispiel den IV Rank und das IV Percentile.